Mittwoch, 25. Dezember 2013

Ross und Reiter



Abweisend ist die Nacht und rau, gnadenlos treibts mich durchs Eis. Mich reitet der Geist der Finsternis und ich bin sein schwarzes Ross. Die Haut bedeckt mit Schweiß das Maul voll Schaum lässt er mich kaum zu Atem kommen. Der Schnee ist tief und reißt mir Wunden in die Beine und dennoch lässt er mich nicht ruhen. Die Nacht ist tief und mein Martyrium noch lange nicht zu Ende.
„Wer bist du, dass du mich so treiben kannst, siehst du nicht die Geister in der Nacht? Mich fürchtet doch du jagst mir gnadenlos die Sporen in den Leib!“
Der Geist auf meinem Rücken zerrt die Zügel fest und schreit: „Du kennst mich nicht, du finstre Kreatur? Wie oft zeigte ich dir mein Antlitz doch du hast es weggefegt wie die Fliege auf deinem Brot. Über all die Welten werde ich dich jagen, durch jede Enge schlagen, dich in tiefsten Abgrund blicken lassen, bis du mein Wesen anerkennst!“
Seine Stimme dringt in meine Ohren wie ein Donnerschlag und brennt sich  Bahnen in mein Herz, welches mir das Blut in meine Adern stampft. Schnaubend  stürze  ich zu Boden um mich unter seinen Schlägen wieder aufzurichten. Doch unbarmherzig bleibt der Geist auf mir und peitscht mich grob voran, der unbekannten  Finsternis entgegen.  
Meine Schreie gellen durch die Nacht und nur des Mondes Blicke ruhen sanft auf mir.
Unter hartem Zügel wend ich mich zur Seite, zeige meinen schmerzverzerrten Blick und ruf: „WAS! Sage mir was du willst?“
„Ich bin das, was du seit eh und je verraten hast, eingekerkert hast du mich, dein wahres Ich, dein Selbst! Ja, sieh dich um und blicke mir ins Angesicht, was du siehst bist DU! Wie lang noch willst du mich verleugnen, so tun, als wär ich gar nicht existent? Dein Kampf gegen mich hält den Mond am Himmel fest und das Morgenlicht von dir entfernt. Deshalb treib ich dich durch diese Finsternis. Die Qual soll dir die Augen öffnen, damit du mich erkennst!“
Und wieder treibt er mir die Sporen in die wunden Seiten. Wie lang noch würd ich unter seiner Knechtschaft laufen, er, der mir mein schmerzlich Schicksal webt, und jeden meiner Schritte lenkt. Ach, die  Glieder werden schwer und die Verzweiflung schnürt mir meine Kehle zu. Die letzte Kampfkraft die mir noch geblieben, ist verloren, so  trotze ich der Angst und setze diesem irren Lauf sein Ende, ganz gleich, was jetzt geschehen würde, so wend ich abermals den Kopf und seh dem schwarzen Reiter ins Gesicht.
„Was willst du, dass ich tue, sag es mir?“
Es zeigt der Reiter die feineren Züge, sein Blick senkt sich tief in den Meinen hinab und beschenkt mein Herz mit feurigem Leben. Es regnet seine Stimme über meinem Haupt hernieder und der Dolch der Scham durchborht meine Brust.
„Ross und Reiter sind Eins, wenn du bereit bist, dieses anzunehmen, wird der Mond sein Antlitz verbergen um der Morgenröte ihr Feld zu bereiten. Die Sonne wird uns die Wege erhellen, und sichtbar machen, was wir wirklich sind. Folge dem Pfad nach meiner Weisung und gib von dir alle Furcht. Du und ich sind Eins, und nur als solches werden wir erfüllen das vollkommene Gefüge unseres Seins. Darin liegt der Sinn des Weges.“
Aus samtenen Fäden spannen seine Worte ein Netz, dessen Knoten leuchten wie Sterne um das Feuer tief in mir entfachen, all der Liebe Raum geben um sich darin zu vereinen. In meinen Gliedern fühle ich seinen Willen, mein Herz schlägt gleich dem Seinen, ich atme seinen Atem und ich erkenne mich in seinen Augen, überblicke das Land um mich und erschaue klar die Spur, welcher es zu folgen gilt. Die Geister der Finsternis verschwinden und in der Ferne erstrahlt das Morgenlicht.
Die Nacht wird weichen und ich werde sein, was ich von Anfang aller Zeiten war und bis an deren Ende sein werde.
Bewusst und besonnen setze ich ein Bein vor das andere, betrachte mit allen Sinnen die  Welt um mich und staune. Welch ein Freiraum, welch vielfältiges Leben und die Sonne erstrahlt über mein Land, taucht es in das Licht meines reinsten Empfindens.
Welch ein Geschenk, mit all dem Schmerz und Leid, mit aller Liebe und Hoffnung, Tod und Leben, doch ich werde meinen Auftrag erfüllen und mitten darin sein, was ich bin, jede Sekunde, jeden Tag, jeden Gedanken, jedes Wort und alle Taten - Ich

…und erst wenn ein wahres Ich sich im Wir begegnet erweckt sich der Zauber der Liebe zum Leben.

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Straßenkatzen oder der Schmerz der Welt

Herkunft unbekannt


Der Mond zeigte sich nur für einen kurzen Augenblick zwischen den schweren Wolken und legte sein silbernes Licht auf meinen nassen Pelz. Der Regen hatte es durchtränkt und die Nacht kroch mir kalt über die Haut. Meine Pfoten brannten, während ich einsam meine Spur über den Asphalt zog. Wie immer lief ich unter der alten Brücke hindurch um einmal mehr vor den Spraydosen zu landen, deren sich der Typ im schwarzen Kapuzenshirt wie unter Trance bediente. Es stank erbärmlich nach Fremdem. Doch wie immer faszinierte mich seine heimliche Freiheit, die er an dieser schrecklich grauen Wand auslebte und mich nie zu bemerken schien.

Mühevoll sprang ich die Stufen hinauf zur Straße, trabte  um den Gullideckel herum und suchte, wonach wusste ich noch nicht.
Mein Hinterbein schmerzte immer noch vom letzten Revierkampf und in der letzten Mülltonne verdarb ich mir den Magen. Meine  Jahre hier draußen waren hart und ich fühlte mich so endlos erschöpft. Oft schlug mein Herz in einer solchen Härte, dass es mir die Rippen zu brechen drohte.

Ich schloss einen Moment die Augen, setzte mich um ein wenig auszuruhen und auf die Stimmen zu lauschen, die durch die Straßen flüsterten. Heute war es still und ich erschrak. Ein Geruch weckte mich aus meinem dösenden Zustand, und ich öffnete ein wenig meine Augen. Er war kaum wahrzunehmen, dennoch, ich sah ihn dort stehen, weit entfernt von mir und mitten auf der Straße. Im Scheinwerferlicht des heranfahrenden Autos sah ich seine Silhouette und glaubte, das überlebt er nicht, doch das Auto wich aus und er blieb einfach stehen. Er schien mich mit seinem Blick zu fixieren und ich fixierte ihn.

Nach einer endlos scheinenden Weile rührte er sich, trabte mit angelegten Ohren lässig in meine Richtung, blieb jedoch ein paar Meter vor mir wieder stehen. Er sah an eine Hauswand und tat so, als wäre ich nicht da. Ich kniff die Augen zusammen und ignorierte ihn, doch tief in mir hielt ich ihn unter strengster Beobachtung und ich wusste, er tut das Selbe.

Eines war klar, sein Revier war nicht in dieser Gegend und er sah nicht besser aus als ich. Durch die zusammengekniffenen Augenlieder musterte ich ihn, während er das schmutzige Wasser aus seinem Pelz schüttelte. Missmutig sah er drein und setzte sich mitten auf die Straße, so als gehöre sie ihm. Ich teilte mein Revier mit anderen und es war gut, dass sie gerade nicht hier waren. Niemand duldete es, dass sich ein Fremder mitten auf einem freien Platz niederlässt. Hier gab es ohnehin nicht viel zu holen, und die Zeiten sind wahrlich schlechter geworden. Neid und Rücksichtslosigkeit machte uns das Leben allmählich zur Hölle und uns selbst zu giftspuckenden Kreaturen.  Wer sich mir mehr als einen halben Meter näherte, lernte mich von einer üblen Seite kennen, meine Schotten waren längst dicht gemacht. Es herrschte Krieg auf den Straßen.
Und in einer solchen Zeit wagte es dieser Fremde sich mitten auf diesen Asphalt zu setzen.
Doch irgendetwas war anders als sonst, ob es das miese Wetter war, das mich gnädig stimmte oder war es nur Neugier, oder eher seine Frechheit, die mich faszinierte?

Ich stand auf, ging einige Schritte auf ihn zu, doch er rührte sich nicht. Sein Blick ruhte still auf mir. Er wagte es, mir ins Gesicht zu sehen. Ich presste ein leises aber bedrohliches Knurren durch die Kehle und legte die Ohren an, doch er rührte sich immer noch nicht. Was nun geschah, jagte mir die tiefste Erschütterung durch die Glieder, die ich seit Jahren gespürt hatte. Er stand langsam auf, kam einen Schritt weiter auf mich zu, hatte die Grenze des halben Meters längst druchbrochen und stellte sich neben mich, hob seinen Kopf und stieß einen so ergreifenden Schrei in die Nacht hinein, dass er mein Herz auf der Stelle hätte zerreißen können. Sein Anblick schnürte mir den Hals zu, auf seiner regendurchtränkten Haut sah ich tiefe Wunden und Narben, eines seiner Ohren war zerrissen und in seinen Augen spiegelte  sich der Abgrund der Welt. Welch einen Weg musste er gegangen sein?

In unseren Kreisen zeigte man seine Wunden nicht, das bedeutet Gefahr. Schwäche musste verborgen bleiben. Doch er offenbarte sich mir ohne Scheu. Dies war das Zeichen, welches ich sofort verstand und ich drehte ihm den Rücken zu, ließ ihn meine Wunden und Narben sehen und dann hörte ich es mit allen Fasern meines Seins, jede Haarspitze meines Pelzes schien zu vibrieren. Sein grollendes Schnurren brach sich den Weg durch die Finsternis und erwärmte den Raum zwischen uns. Nun antwortete ich ihm und der Raum erwärmte sich weiter.
Doch die offenen Wunden schmerzten und wir waren uns der Gefahr bewusst. Die Zeit schien zu zittern und der Drang auszuholen um weitere Wunden zu schlagen stieg allmählich aus den Tiefen alten Erlebens. Ein Kampf hätte uns getötet, doch was kannten wir schon anderes? So zog ich mich langsam zurück. Sein heilendes Schnurren verklang einsam im Raum und ich schwieg, ließ ihn stehen, mitten auf der Straße, auf die er kein Recht hatte und trabte erschöpft in eine Seitengasse.
Hinter einer Mülltonne ließ ich mich nieder auf einem Stück trockenen Asphalt und sah hinüber auf den Platz, auf dem er gestanden hatte.
Die Straße war leer. Eines Tages würde er wieder kommen, vielleicht, wenn wir es überlebten. Meine Augen brannten und ich gab dem lautlosen Weinen nach. Was haben sie aus uns gemacht?

Montag, 16. Dezember 2013

Das große Aufbegehren


"Boykott" Acryl auf Holz 55 x 75 cm

 
Ein Hoch auf den Herrn… !? Nein, deine Zeit ist abgelaufen.
Nun stehst du vor mir 
fassungslos lässt du meine Ablehnung über dich herunterregnen
Hast dem nichts mehr entgegenzusetzen
Wirkst so kläglich machtlos gegen meine Freiheit
Wie kann ich es wagen
All das fallen zu lassen, was du  mir geboten hast
Ein Nest voller Geschenke, so schillernd, dass ich beinahe blind wurde
Den Topf so voller Schokolade, dass ich fast darin erstickt wäre
So warm war es in deiner Gegenwart, dass ich das Frieren verlernte
Gegen meine Mitmenschen hast du mich aufgebracht,
uns so voneinander entfremdet,
dass ich am Ende vor Einsamkeit fast gestorben wäre.

Ich brauche dich nicht, in deinem glänzenden Wagen
Brauche dich nicht in deinem maßgeschneiderten Anzug
Brauche dich nicht in geputzten Schuhen
Ich brauche deine Hand nicht bestückt mit einer goldenen Uhr
Ich brauche weder deine Versicherung noch dein Testament
Ich brauche dein Konto nicht und nicht deine Zahlen
Ich brauche deine Erklärungen nicht über die Welt
Ich brauche weder dein Haus noch dein Designerbett
Ich brauche auch deinen Hochleistungssex nicht
Ich brauche deine falschen Komplimente nicht
Und auch nicht, dass du mir sagst, was richtig für mich ist
Ich brauche DICH nicht

Was ich brauche

Bin ICH
 


Samstag, 14. Dezember 2013

Aldirose





Aldirose

Kälte kriecht unter die Jacke und ich schütze mein Gesicht vor dem Regen
Der nasse Asphalt raubt der Welt die Farbe und spiegelt Werbung wieder
Es ist Samstag und es drängt uns alle nach Hause
Die Gemüter wirken trübe und am Lächeln wird gespart
Der Einkaufswagen rattert sperrig vor mir her doch dann …
Ich stehe und starre auf den Kopf einer Rose
Er liegt auf dem Asphalt zwischen einer nassen Zigarettenkippe und einem Stück Papier
Ich atme durch und sehe auf die Füße, die an ihr vorüber gehen, es sind viele
Hilfesuchend wende ich mich zur Seite und sehe in ein trauriges Gesicht

Doch da ist niemand …

Er sagt, wir müssen sie aufheben

Doch da ist niemand …

Wir sehen die anderen, doch sie sehen uns nicht
Die Rose wird getreten
Er geht nach vorn, streckt seine Hand aus und hebt die Rose auf
Schützend hält er sie in seinen Händen und reicht sie mir
Achte auf sie, flüstert er leise

Doch da ist niemand

Der Einkaufswagen steht allein im Getümmel, die Milchtüten werden nass
Ich strecke meine Hand aus und umschließe den Rosenkopf mit den Fingern
Meine Wärme strömt in die sterbende Blüte
Und ich gebe ihr meine Liebe
Für ein paar Minuten gefühltes Leben
Zu Hause steht die Blüte im Wasser auf meiner Fensterbank
Eine Weile noch hält sie es aus
Und erinnert mich an jenen, der sie aufgehoben hat

Doch da war niemand.

















 


Donnerstag, 12. Dezember 2013

Schmetterlingsblume



Wenn Schmetterlinge tanzen
Erwacht das Glück zum Leben
Im Lebensglück erstrahlen Blumen
Welche fröhlich scheinend
Ihre Blätter hin zur Sonne wenden
Sich den Winden und Wassern ergeben
Im großen Lebensschwirren
All der kurz beglückenden Momente

Doch oben auf dem Berge
Steht einsam diese Eine
Die nur im Licht des Mondes
Ihre Blätter spreizt
Lockend ihren Duft verströmen lässt
Der schwarze Schmetterlinge weckt
Im sanften Nachtwind wieget sich
Ihr dunkelblauer Kelch
Und flüstert sanft
vom Hauch des süßen Sterbens

Gebunden an den Boden
Auf dem die Blume steht
Öffnet sie dem Flügelschlag
Des samtenen Verehrers
Ihr endlos tiefes Herz
Und hier beginnt ein Reigen
Voll schönster Eleganz
Einmalig
Er entscheidet über Leben oder nicht
Der Wind erhebt die beiden
Und trägt im Traum sie fort
Silbern schickt der Mond sein liebend Licht
An diesen einen
Ach so fernen Ort.

N.M.Schw. 12.12.2013    3.10 Uhr

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Montag, 2. Dezember 2013

"Identitätenwechel"





Identitätenwechsel




Wie lange hab ich nun an diesem Bild gearbeitet. Als ich im Juni 2012 begann war mir bewusst, dass sich das, was ich als meine Identität empfinde ändern wird, dass ich einen altvertrauten Teil von mir verlieren werde. Ich werde loslassen müssen, mich Neuem zuwenden, das war klar. 

Was ich auf der Leinwand vor mir sichtbar gemacht hatte, zeigte mir ein Gesicht, dessen rechtes Auge bereits fest verschlossen war, wie zugewachsen, ebenso die Gesichtstruktur, die wie eine Maske aus einer alten Zeit wirkt und allmählich schrumpft. Die alte Form wurde zu klein, das Neue bricht hervor und sucht mit einem gewaltig großen und weit geöffnetem Auge nach dem, was folgen wird. 

Wo gehe ich hin? Wer werde ich sein?


Quer über das Gesicht laufen Fragmente, Teile einzelner Erfahrungen und Erkenntnisse, die das Alte vom Neuen trennen. Diese Fragmente fügen sich aneinander, passend, Eines zum Anderen und ergeben gemeinsam eine erkennbare Form, bilden ein Zeitfenster der Wandlung, einen Prozess, in dem etwas geschieht.

Dann, innerhalb weniger Stunden geschieht etwas Unerwartetes. Während ich in tüsterer Finsternis über jener Frage des „wer bin ich“ brüte, entspringt aus meinem tiefsten Urgrund eine Gestalt, geladen mit neuer Energie und zum Sprung bereit. So entstand zuallererst die kleine Erzählung:  "Der Tag des Springers".


Nun musste ich nur noch die Figur dieses Springers ins Bild einbauen, ins Blickfeld des Gesichtes rücken um sie endgültig erkennbar werden zu lassen.


Wen oder was verkörpert der Springer?


Die Gabe zu springen ist gleichzusetzen mit der Fähigkeit in hoher Geschwindigkeit den Standort zu wechseln und somit auch die Blickrichtung. Wer den Standort wechselt, sieht die Dinge aus einer anderen Richtung. Wer mehrmals hintereinander die Blickrichtung wechseln kann, ist in der Lage, ein Ding, eine Struktur oder ein Ereignis  von möglichst so vielen Seiten zu betrachten, dass das Bild des betrachteten Objektes wie ein Hologramm vor dem inneren Auge erscheint. Ich befinde mich innerlich in einem 3-D Raum (die anderen Dimensionen lasse ich vorerst weg). Auf diese Weise werde ich die Welt und ihre Ereignisse anders wahrnehmen, als würde ich die Dinge immer von einer anderen Seite aus betrachten. Mein Weltbild ändert sich und bietet mir vielfältigere Möglichkeiten.


Aber nicht nur die mannigfaltige Betrachtungsweise der Welt, sondern auch die Fähigkeit, Standpunkte dann zu wechseln, wenn die bisherigen unbrauchbar erscheinen und zwar zum richtigen Zeitpunkt.

Wer die Geschichte „der Tag des Springers“ gelesen hat, weis, was ich damit meine. 

Es geht um die eigene Kreativität, darum, die innere Welt zu einer Realität werden zu lassen, die ich bewusst steuern kann, worin ich die Plätze wechseln kann, neue Gestaltungsmöglichkeiten zulasse und meine Kräfte gezielt nutze. Ich schaffe Raum und Grenzen, Trenn- und Verbindungslinien, Fluchtpunkte, Zielorte, Kommunikations- und Versorgungsleitungen. Ich mache mir eine innere Infrastruktur bewusst und baue sie nach meinen Bedürfnissen auf. 


Der Springer betrachtet und bewertet nicht nur die Welt um sich herum aus verschiedenen Richtungen, sondern auch sich selbst. Er betrachtet bewusst die verschiedenen Facetten seines Seins und gesteht sich die durch seine Kreativität bedingte innere Vielfältigkeit zu.

Das tiefe Nachempfinden einer Situation oder eines Befindens (Empathie) und die gleichzeitige Fähigkeit, sich im richtigen Moment davon wieder lösen zu können, bedingen einander. 


Die Figur im Bild ist frei, wobei Freiheit nicht mit Unabhängigkeit vom Umfeld gleichzusetzen ist, denn dies ist einem lebenden Organismus unmöglich, sondern hier geht es um eine uneingeschränkte Möglichkeit, sich den eigenen Standpunkt, auf dem Gedanken und Ansichten produziert werden, selbst auszusuchen. Je mehr Möglichkeiten einem eigenständig denkenden Individuum zur Verfügung stehen, desto weitreichender der Entscheidungsspielraum und somit auch dessen Freiheit. 


Samstag, 30. November 2013

Es war eine dieser unsäglichen Facebookdiskussionen...





und dennoch, wieder einmal mehr gehen mir die Augen auf, auch wenn ich nicht weis, in welchem Stadium der Öffnung sie sich gerade befinden, so merke ich doch zusehends, dass es „heller“ wird um mich und was ich sehe ist bedrohlich finster. 


Wie konnte ich so lange schlafen? Doch, ich weis es, ich weis auch warum ich so lange die Augen verschlossen hielt, mich verbarg vor dieser Welt und deren politisch-gesellschaftlichen Abläufen, ich wäre mental nie und nimmer in der Lage gewesen, all dem zu folgen, geschweige denn, es adäquat zu verarbeiten und schon gar nicht als Künstlerin, also, wartete ich den rechten Zeitpunkt ab, den Tag, an dem ich mich so sicher in meiner Denke verankert hatte, dass ich den Schritt in die klare Kälte draußen wagen kann.

Nun gut, das mit dem Tag nehmt nicht so genau, es war schon ein Prozess über Jahre…


Die Erde erwärmt sich, weil die Menschen erkalten, welch ein Paradoxon. Jetzt könnte jeder einwenden, welch einen Zusammenhang denn diese Behauptung haben sollte. Doch, denkt man länger drüber nach, weis man es. 
Das Klima wandelte sich schon immer, auch ohne den Einfluss des Menschen. Und, was hilft uns dieser Einwand? Er bringt uns keinen Schritt weiter und die Tatsache, dass sich selbst die Wissenschaft über Ursache und Auswirkung einer Erderwärmung nicht einig sind, hilft uns auch nicht, die Katastrophen besser meistern zu können, weder jene, die uns aus der Natur drohen, noch die, die uns gesellschaftlich und sozial das Messer an den Hals setzen. 


Was ist die Ursache des Übels? 
Sie liegt irgendwo tief im Menschen verankert – hier wären die Psychologen gefragt, normalerweise, doch da sehe ich eine Gefahr, ebenso, wie ich eine Gefahr drin sehe zu sagen: „ich fühl mich unwohl, also, gehe ich zum Arzt, der ist zuständig…“.

Verantwortung wegschieben, sich einen Fachmann suchen für die Probleme, die vor unseren Augen auftauchen, wenn wir sie denn überhaupt wahrnehmen wollen. Ja, wie soll so ein armer Mensch seine Krankheit erkennen können, geschweige denn heilen, wenn er sich mit dem eigenen Körper nicht auskennt? Und wer tut das schon? Es wäre jedoch das Mindeste, zu wissen, wie das lebende Ding funktioniert in dem ich da stecke, wie es sich auswirkt, wenn ich ihm etwas antue und was er braucht, damit es ihm besser geht. Selbst zu einer solch einfachen, grundlegenden Verantwortung sind wir nicht in der Lage, brauchen wir Fachleute dazu und erhalten damit einen  riesengroßen Wirtschaftszweig, der sich an unserer Dummheit und Naivität dumm und dusselig verdient. 
(Ernsthaft erkrankte Menschen schließe ich natürlich aus!)

Ähnlich verständnislos stehen wir dem Geschehen um uns herum gegenüber. 


Doch, da gibt es Menschen, die sich engagieren, politisch, gesellschaftlich und vielleicht auch wirtschaftlich, denen möchte ich nicht unrecht tun. Ich kenne doch viele, die einen großen Teil ihrer Zeit einer guten Sache widmen und versuchen, Einfluss zu nehmen. Dennoch hinterfrage ich, tun sie es wirklich oder macht es nur so den Anschein? Wie konsequent sind diese Menschen tatsächlich und wie gutgläubig und naiv bin ich selbst? Ich weis zu gut, wie gerne ich meinem Wunschdenken über eine bessere Welt verfalle und in jedem, der ein wenig Interesse an einem anderen zeigt, einen selbstlosen Wohltäter sehen möchte. Also, Scheuklappen weg und den Betrachtungsrahmen etwas erweitern… Was sehe ich? Menschen, die nach Sinn suchen für ihr eigenes Leben, so wie ich, die sich nicht vorwerfen möchten, sie hätten nichts getan, die eine Möglichkeit sehen, ihre Ideale mit einem Broterwerb zu verbinden, was ja nur zu verständlich ist. Und da hakt es schon. 
Was wollen wir denn wirklich? Genau das, was jedes andere Tier auch will, überleben und das möglichst gut und sicher um die eigene Art zu erhalten, also, sind wir uns selbst die Nächsten. Alles andere sind doch exotisch anmutende Blüten, mit denen wir belebende Bilder in eine trist scheinende Welt zu malen versuchen. Gedankenkonstrukte, an die wir uns halten um eine Orientierung in diesem unüberschaubar vielfältigen Angebot von Lebensformen zu behalten.


Um zu überleben gibt es eine Menge unterschiedlicher Strategien. Eine sehr starke und wirkungsvolle ist Besitz und damit Macht und Einfluss. Will ein Einzelner oder eine kleine Gruppe Gleichgesinnter Macht und Einfluss ausüben, braucht er/sie sehr viel Besitz. Dem gegenüber steht eine riesige Menge von Menschen, die nur sehr wenig bis gar keinen Besitz haben. Die Menge ist so groß, dass sie durch ihre Größe den Machtverlust ausgleichen könnte. Tut sie aber nicht, und warum nicht? Weil sie sich ihrer Macht nicht bewusst ist, weil diese Menge von Menschen alle unterschiedlichen Interessen folgen und sich somit nicht auf ein Ziel konzentrieren. Würden sie es nämlich tun, ginge eine gewaltige unüberschaubare Kraft von dieser Menge aus. Tja, und das wissen diese Wenigen mit all dem Besitz an ihrer Seite nur all zu gut. Also, sorgen sie dafür, dass die Interessen des Volkes in die unterschiedlichsten Richtungen laufen und sich bloß nicht auf die eigene Erkenntnis konzentrieren. 

Man hält die Armen weiter Mittellos, raubt ihnen gezielt den Selbstwert und verunsichert sie zusehends damit. Man macht eine Grundsicherung attraktiver  als einen Arbeitsplatz und behält so einen Teil der Gesellschaft dauerhaft in Abhängigkeit. Das Ganze macht man auf eine Art und Weise, dass sie sich das allernötigste an Zerstreuungsmitteln noch leisten können. So hält man sie vor RTL Serien gefangen und beschäftigt ihren Geist mit unsinnigen Emotionalitäten, die sie getrost in ihren Wohnzimmern ausleben können ohne auf den Straßen randalieren zu müssen. Man mergelt sie langsam aber sicher so weit aus, dass sie zu müde werden um den Gedanken an Revolte überhaupt noch denken zu wollen.

Und unterm Strich gesehen kommt das den Staat immer noch billiger, als sich einem unzufriedenen und revoltierenden Volk zu stellen.

Und die anderen, die noch in Arbeit sind? Sie werden zunehmend einem Druck ausgesetzt, der sie ebenso verunsichert und ihnen Angst macht, ihren Job zu verlieren. Und sie haben etwas zu verlieren, dafür hat man vorgesorgt. 

Doppelte Leistung bei einer Bezahlung von der kaum noch ein Mensch würdig leben kann. Leiharbeitsfirmen kamen da gerade recht, helfen sie doch glatt bei der Schaffung des neuen Sklavenstandes. Das beängstigende dabei ist, dass viele diesen Zustand als gegeben und normal hinnehmen, vor allem die junge Generation, die in einen solchen Zustand hineingeboren wird und ihn daher schwer hinterfragen kann. Die einen resignieren und suchen still ihren Platz im System, ein geringer Teil ergibt sich dem Leistungsdruck und versucht sich in Karriere machen, und wenn’s nicht geht, hilft man ein wenig nach, Ratiofarm dankt es uns.

Motivationslosigkeit macht sich breit, Depressionen häufen sich und die Pharmariesen stürzen sich auf das gefundene Fressen welches sie sich selbst servieren. 


Die andere Möglichkeit, ein Volk beschäftigt zu halten und zu lenken ist es, Feindbilder zu schaffen und davon haben wir doch reichlich. Oh, sie kommen vom Osten, vom Süden, von überhall her, und wollen uns das bisschen streitig machen, was wir noch unser Eigen nennen können, und dann die Boote vor Lampedusa, wie schrecklich, aber haben wollen wir sie dann doch nicht. Wir wollen nämlich gar nicht wissen, dass die Armut dieser Menschen etwas mit uns zu tun hat und unserem Wohlstand, den viele von uns Jahrzehnte lang  selbstverständlich genießen durften. 

Nicht zu vergessen, der Große Feind „Terrorismus“, der rechtfertigt weltweite Abhöraktionen und so wagt man es kaum, dem zu widersprechen, oder gar dieses aufdoktierte Bild in Frage zu stellen. Wer will schon schuld sein an einem Terroranschlag?


Thema – Religion, der Islam wird zum willkommenen Feindbild und wir schlucken es, ohne es zu hinterfragen. Moment mal, bevor ich etwas runterschlucke will ich es mir genau ansehen und dann entscheiden, ob ich es mir einverleibe oder nicht. Wie war das denn mit den Christen? Man soll nicht in der Vergangenheit wühlen? Nicht immer so nachtragend sein, das alte endlich mal ruhen lassen? 

Gut, der neue Papst trägt gerade einen Heiligenschein, und ich hoffe zutiefst, dass der auch echt ist und vor allem hell genug, um auch seine umliegenden Genossen zu erleuchten, aber dennoch, ich muss nun mal das Alte hervorholen und betrachten, um mir über die Gegenwart ein vollständigeres Bild machen zu können, meinen Betrachtungsrahmen zu erweitern. Man verzeihe mir bitte meine Eigenständigkeit. 


Doch allmählich wird mir immer klarer an welchen Ecken und Enden ich belogen werde und bei mir drängt sich ein ganz neues Feindbild auf und dieser Feind erhebt sich, wie ein Berg, der aus dem Nebel vor meinen Augen aufersteht, gewaltig, übermächtig, weil er wachsen konnte im Nebel eines schlafenden Bewusstseins. 


Im dritten Reich war das neue Medium Radio und Film ein willkommener Helfer in Bezug auf die Verbreitung von Propaganda und gezielter Meinungsmache. Man konnte ins Mikrofon brüllen, seine Ansichten gezielt formulieren und hoch emotionalisiert dem Zuhörer in die Seele brennen. Und es wirkte. Mit ein paar Zutaten wie Angst und Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Sinnentfremdung brachte man ein riesiges Volk dazu etwas zu akzeptieren und gut zu heißen, was aus nüchterner Sicht betrachtet pure Menschenverachtung war. 


Und, was ist heute? Das Grobzeug von damals hat man ausgefeilt, ihm andere Namen gegeben, auf Hochglanz poliert und mit dem vereisten Lächeln der TV Zeitschriftblondienen per Programm in jedes einzelne Wohnzimmer transportiert. Zum Glück schafft es noch das ein oder andere kritische Wort in die Sendezeiten. Wahrheiten schaffen es höchstens als kabarettistische  Veranstaltung unter Verschlüsselung der Sprache in die Welt oder durch auf ein erträgliches Maß an Frechheit gestampfte Dokumentationen. Wer zu laut schreit wird schlicht weg in Verbannung geschickt. Na, da lob ich mir doch die alte, dünne Zeitung mit der fetten roten Schrift, die mir tagtäglich erklärt, wie wichtig all meine Alltäglichkeiten sind, gepaart mit sensationsheischender Gewalt, untermalt mit den dicken Titten einer üppigen Blondine, die jeden strammen Mann erstarken lässt in selbstbeweihräuchernder Gewissheit, doch ein guter Deutscher zu sein. 


Dieses vom Menschen geschaffene System mutiert allmählich zu meinem Feindbild und ich habe die Befürchtung, dass der Mensch längst die Macht darüber insofern verloren hat, dass er seiner Gier nach Macht und Besitz so dermaßen Tür und Tor geöffnet hat, dass sie nicht mehr zu schließen ist und das Kind längst im Brunnen liegt. Und wo die einen in ihrer Gier gefangen sind, sind es die anderen in ihrer Bequemlichkeit und auf diese Weise lenken wir unsere Arche „Leben“ langsam aber sicher auf ein rasiermesserscharfes Riff.

Ich hoffe nur, ihr wisst, wo eure Rettungsweste hängt!

Montag, 21. Oktober 2013

Der Tag des Springers



Der Tag des Springers                                                         


Einst war ich ein einsamer Wanderer, hatte lange steinige Wege hinter mir und erschöpft erreichte ich ein karges Land. Dort angekommen fand ich einen Brunnen und hoffte auf Wasser, doch als ich mich  über den Brunnenrand beugte fiel ich hinüber und sein Schlund verschluckte mich für lange Zeit.
Eine Ewigkeit saß ich in dieser Dunkelheit, kalt und erbarmungslos hielt mich die Verzweiflung gefangen beim Anblick der feuchten und glatten Wände um mich. Weit oben erahnte ich das Licht, sah Tag und Nacht vorüber ziehen, hörte Menschen lachen und reden über ihr Leben, sah sie tief in den Brunnen hinab schauen in ihren prunkvollen Gewändern und lachen über mich, weil ich dort unten saß und nicht fähig war, die Wände hinauf zu klettern und mit ihnen ihr Leben zu leben.

Meine Hände schmerzten und das Herz brannte in der Brust, die Tränen waren längst versiegt, so wie das Wasser in diesem Verließ. Ich hörte den Spott der Leute, doch am schlimmsten war das Mitleid und jene Stimmen die mir nahe legten, die Augen zu schließen und mein Schicksal zu akzeptieren. Der Glaube an mich selbst war bis auf einen kaum sichtbaren Funken erloschen, niemals würde ich dort hin gelangen, wo all die anderen standen oder gar deren Gewänder tragen.

Meine Gedanken teilte ich mit den Schattenwesen, die dort unten lebten, und hin und wieder mitten in der Nacht, wenn der Vollmond am Himmel leuchtete und meine Brunnenwände silbern glänzen lies, sang eine Nachtigal ihr Lied. Sie setzte sich auf den Rand des Brunnens und schmetterte ihren lieblichen Gesang so anmutig und leidenschaftlich gegen den kühlen Stein, dass der Funke in meinem Herzen wieder zu lodern begann.

Eines Nachts, als wieder die Einsamkeit an meiner Kehle hing und mir die Luft zum Atmen nahm, begann die Nachtigal ihr Lied so laut und unwiderstehlich zu singen, dass sie die Einsamkeit zum Schmelzen brachte und diese ihre grausige Hand von meinem Halse nahm.
Ich rief nach dem Vogel und flehte, er möge mich doch retten aus diesem Schacht und da verstummte sein Lied.
Alles war still, so still, dass ich nicht einmal mehr meinen eigenen Atem hören konnte. Der kleine Vogel erhob sich und schwebte wie von Zauberhand getragen zu mir in die dunkle Tiefe hinab und setzte sich auf mein Knie. Lange und prüfend betrachtete mich das schlanke Tier und hüpfte auf mein anderes Knie, dann auf meine Schulter und begann leise in mein Ohr zu singen, ganz leise, so als kämen die Töne aus einer weit entfernten Ewigkeit hier her zu mir und nur zu mir. Aus dem seltsam anmutenden Gesang formten sich Worte, und aus ihnen verständliche Sätze.
„Warum schlägst du gegen diese Wände? Siehst du nicht, wie stark sie sind? Hör auf zu weinen und zu jammern, dort oben kommst du nicht hin, das ist nicht dein Weg. Die Welt dort oben ist nicht die Deine. Sieh nach unten, hier vor deine Füße, schau!“  Und ich richtete meinen Blick auf den Boden auf dem ich schon so lange saß, doch niemals war mir diese Türe aufgefallen. Dies sollte mein Weg sein? Ich griff nach dem schweren Eisenknauf und öffnete sie langsam. Ich brauchte sie nicht nach oben zu ziehen, denn in dem Augenblick, als sich die Türe zu öffnen begann, kippte meine Welt und ich stand aufrecht.
Vor mir erstrahlte ein eigenartig flimmerndes Licht, und meine Hand warf türkise Schatten. Die Nachtigall entschwand durch die Türe und rief zu mir: „Spring!“ und war verschwunden.
Mein Gott, wohin sollte ich springen? Alles war verschwommen, wie in einem Nebel, wo würde ich landen, doch hinter mir stand wieder die Einsamkeit und drückte ihre Hand gegen die offene Türe und dies war der Moment in dem ich die Entscheidung treffen musste. „Spring oder stirb!“ Hörte ich von weit her die Nachtigall noch einmal rufen und ich stieß mich ab vom feuchten Brunnenboden und zu meiner Überraschung setzte ich im gleichen Augenblick an einer anderen Stelle wieder auf.
Doch wo war ich nun? Die kalten nassen Brunnenwände waren verschwunden, um mich zeigte sich immer deutlicher ein gewaltiger großer Raum. In ihm war es weder hell noch war es dunkel und mir schien, ich sei unsichtbar. Wie ein Schatten bewegte ich mich von einer Stelle zur anderen. Allein die Kraft meiner Gedanken versetzte mich an den Ort meines Verlangens. Doch mein Verlangen war beschränkt auf das Vorhandene, ich sah und zielte und war dort. Ich sprang und auf meinen Sprüngen durchquerte ich unendliche Welten, überwand alle Hindernisse, die sich als solche vor mir preisgaben, mir Angst machen wollten, und lachend sprang ich über sie hinweg.
Mit meinen Sprüngen veränderte sich die Form des Raumes und die Welt war gefüllt mit Nebel und Farben, die sich zu immer neuen Gestalten formierten, festigten und sich wieder auflösten um sich mir in den Weg zu stellen, mich heraus zu fordern und ich suchte nach neuen Plätzen und sprang.
Einer meiner Sprünge war so hoch und weit, dass ich den Boden nicht mehr erkennen konnte und flog einem fremdartigen Lichtstrahl entgegen. Dort, wo das Licht tanzte, lag mein Ziel.
Dies war wohl der bisher längste und wagemutigste Sprung, den ich in meinem Leben je vollbrachte, und es hatte sich gelohnt. Die Plattform auf der ich landete bot mir eine gewaltige Aussicht über diesen unendlich großen Raum, dass es mir die Sprache verschlug, Ich fand plötzlich keine Worte mehr um zu sagen, was ich sah.

Die Formen und Farben schwebten um mich herum als boten sie sich mir an und ich hob meine Hand und sandte meinen Willen aus und schuf eine Welt, durchfuhr sie und löste sie wieder auf, ich zog Linien durch die Unendlichkeit und tanzte auf ihnen wie auf einem Seil. Unter mir formten sich Türme aus Farben umringt von rot glühenden Nebeln. Ein Gedanke entschwand meinem Inneren und brachte den Himmel zum Bersten. Es regnete Diamanten umhüllt von magischen Klängen um sich in einem Meer aus Leidenschaft zu sammeln. Und nun begriff ich, dass dies meine Welt war in der ich leben sollte, dies war meine Heimat.

Kaum hatte ich mich mit meiner schöpferischen Kraft vertraut gemacht, hörte ich von weit her eine Stimme zu mir rufen: „Hallo, ist hier jemand, bist du es? Ich kenne dich!“ Und aus der Stimme formte sich alsbald eine wunderbare Gestalt, tanzend auf einem leuchtenden Ball schwebte sie mir entgegen. Überglücklich schlug mein Herz über diese erste Begegnung mit diesem altbekannten Geist und warf ihm eine Linie zu und noch ein paar in allen Farben und wir formten daraus einen See und füllten ihn mit Liebe und Freude. Und wir waren nicht die Einzigen, immer mehr kamen aus allen Reichen dieser Welt und gesellten sich zu uns. Wir sprangen, tanzten und lachten miteinander und schufen alle Dinge neu, so, dass sie zu uns passten. Wir schufen Bilder neuer Möglichkeiten, um auf ihnen zu landen, in aller Stille, ohne ein Wort.

Nach einer wunderbaren Zeit des wieder Findens und Erkennens trennten sich unsere Wege wieder, doch wir malten uns Zeichen auf die Stirn um uns nicht zu vergessen.

Seit diesen Tagen springe ich durch alle Ereignisse, über alle Dinge hinweg, in unvorstellbarer Geschwindigkeit. Ich springe dir aus dem Wege, wenn du meinen Raum bedrückst, springe über dich hinweg, wenn du denkst, über mir zu stehen, ich springe dir vor die Füße, wenn du glaubst mich übergehen zu müssen doch ich springe sofort an deine Seite, um dir im silbernen Schein des Mondes ein Lied zu singen, wenn dein Herz verbrennt, im Glauben an den Brunnenschacht.




Sonntag, 20. Oktober 2013

Gänseblümchen



Dumm wie ein Gänseblümchen

Das Einzige, was der Mensch wirklich weiß ist, wie er sich für eine gewisse Zeitspanne am Leben erhalten kann. Er hat gelernt mit all den Dingen die er dafür braucht umzugehen. Um seinen Lebensraum zu erweitern und sich weiter auszubreiten hat er seine Fähigkeiten spezialisiert. Das ist alles. Im Grunde ist er nicht viel klüger, als ein Einzeller. 
Man sollte als Mensch so aufrichtig sein, zuzugeben, dass man gar nichts weiß. Wir wissen, dass der Erdball auf dem wir leben rund ist. Das ist nichts anders als zu wissen, dass der Raum in dem wir sitzen vier Ecken hat. Alles, was sich außerhalb unserer körperlichen Grenze abspielt ist für uns nicht wirklich durchschaubar. Wir kennen nur das, was sich in uns abspielt, wenn wir etwas wahrnehmen. Wir erleben es in unserem Inneren und halten es für die Wirklichkeit. Wir betreiben Forschung und glauben tatsächlich, etwas erfahren zu haben, was der Wahrheit entspricht. Wir glauben an eine unumstößliche Wahrheit, an Tatsachen. Das ist eine alleinige Erfindung der Menschheit. Realität, Tatsache, Wahrheit, all das sind abstakte Begriffe, die der Mensch geschaffen hat um etwas zu beschreiben, von dem er ausgeht, dass es vorhanden sein muss. Wir wissen gar nichts, von einer Wahrheit, oder einer Realität. Tatsachen müssen wir beschränken auf das, was sie sind. Wahrnehmungen und zwar subjektive. Und nur weil mehrere Menschen das Gleiche wahrnehmen macht es die Sache nicht objektiver. Das Einzige, was mir recht sicher erscheint, ist die Vermutung, dass die Welt da draußen nicht das ist, für das wir sie halten. Wir sind nicht einmal in der Lage zu verstehen, was unser eigenes Bewusstsein wirklich ist, wie es entsteht, ob es überhaupt entsteht oder schon immer vorhanden war, wo es herkommt und wo es hingeht und ob es überhaupt gehen kann. Unsere Forschung ist stets auf dem neusten Stand des Irrtums (ist nicht von mir)  klingt aber sehr überzeugend.

Was muss geschehen, damit ich begreifen kann, was ich wirklich bin und was dieses Leben hier tatsächlich ist. (schon wieder dieses Wort) Die einzige Erklärung, die mir immer wieder in den Sinn kommt ist, dass dieses Leben, dieses Universum, diese Erde, die Vergänglichkeit, sprich, mein Zeitempfinden einfach nichts anderes ist als ein Zustand, in den wir versetzt wurden, um aus diesem Leben etwas ganz bestimmtes mit zu nehmen, wohin auch immer. Mir bleibt zurzeit nichts anderes, als mein kindliches Vertrauen und die Gewissheit, dass ich dumm bin wie ein Gänseblümchen.

Donnerstag, 11. Juli 2013

Stille im Trollwald







Soolem, der sinnlose Moortroll


Dies ist wohl eine der traurigsten Geschichten im Trollwald, die je erzählt wurde. Es ist sehr sehr lange her, es muss zu Zeiten gewesen sein, als die alte Scabea gerade ihre Höhle bezog um die Kristalle zu polieren, ganz in dem Glauben, es gäbe niemand anderen mehr im ganzen Trollwald außer den Tieren und sie selbst, da tauchte ein wunderschönes Wesen zwischen den Bäumen auf. An seinen Namen kann sich niemand mehr erinnern, doch es soll so hell, wie der Mond in der Nacht gewesen sein, mit silbernem Haar bedeckt und Augen so groß und blau wie zwei Seen.

Es sprach zu den Rehen und den Hasen, den Vögeln und den Regenwürmern. Es erzählte ihnen vom Sinn des Lebens und wie wichtig es sei, füreinander da zu sein und die Welt in der man zu Hause ist, mit Liebe zu pflegen. Zu dieser Zeit waren die Tiere im Wald glücklich und der Baum der Phantasie wuchs in diesen Tagen weit über sich selbst und seinen eigenen Schatten hinaus.

Doch eines Tages geschah dieses schreckliche Unglück. Es zog eine Wolke auf und drohte mit Regen, doch die Wolke hatte eine seltsame Farbe. Von weit her sah man sie kommen, von dort, wo die Menschen lebten. Das silberne Wesen wusste zu gut, was die Menschen aus den riesigen Schornsteinen ihrer ausgebrannten Köpfe trieben und wenn der Wind ungünstig wehte, konnte das ein böses Ende nehmen. 
Die Tiere machten große Augen, als sie die Wolke sahen und das Wesen, weise wie es war, schickte alle Tiere in eine nahe gelegene Höhle und befahl ihnen, den Eingang mit einem Stein zu verschließen. Gerade, als der letzte Vogel in der Höhle verschwand und der Eingang verschlossen wurde, grollte es auch schon böse vom Himmel herab und es wurde dunkler und dunkler. 
Das Wesen sah besorgt zur Wolke rauf, die sich tief violettgrün über ihm auftürmte, und es wusste was kommen würde, eilte zum Fluss, der den Baum der Phantasie tränkte und begann, riesige Blätter über sein Bett zu legen. Auf keinen Fall dürfe das Wasser der Wolke in diesen Fluss fallen, dies würde das Ende des Trollwaldes bedeuten und das Wesen rannte so schnell es nur konnte und riss die großen Blätter aus dem umliegenden Moorboden. Doch die Wolke war bereits über ihm und bevor es das letzte Blatt über die letzte Flussbiegung legen konnte, ergoss sich das giftige Wasser über das Land. Verzweifelt stürzte sich das lichte Geschöpf über den Fluss um ihn zu schützen, und damit die  Regentropfen nicht über die letzte freie Stelle in den Fluss gelangen konnten, riss es seinen Mund weit auf und trank das vom Himmel fallende Wasser, so lange, bis die Wolke abgeregnet war. Der Rest des Giftes versickerte im Moor und ließ dort innerhalb von Stunden alle Pflanzen und Bäume sterben. 

Als es aufgehört hatte zu regnen, sank das silberne Wesen in sich zusammen, sah sich um und erkannte die toten Bäume und Pflanzen und wusste, dass hier so bald kein Tier mehr  etwas zu fressen finden würde. Diese saßen verängstigt in ihrer Höhle und das Wesen wusste, dass sie verhungern würden. Sein Opfer hatte keinen Sinn gehabt und es spürte, wie das Gift seinen Körper zu quälen begann. Sein silbernes Haar fiel zu Boden. Hier und da kann man es heute noch unter großen Steinen finden. Das arme Geschöpf sah keinen anderen Ausweg mehr, als sich im Moor zu ertränken und stieg langsam hinein, doch es ertrank nicht, so sehr es auch versuchte, seinen Kopf in die braune, schwere Tiefe zu drücken, es konnte einfach nicht sterben. Seither versucht es immer und immer wieder seinen Tod im Moor zu finden, bis die Kräfte schwinden und es wieder auftaucht und von weit her hört man es leise weinen.  Der Wald ist längst wieder bewohnt und es wachsen auch wieder die Bäume und Pflanzen und die anderen Trolle, die mittlerweile hier leben,  gaben ihm den Namen Soolem. Immer noch sucht Soolem den Sinn all dessen, was an diesem fernen Tag geschehen ist. Seine einstige Schönheit wich diesem furchtbaren todesähnlichen Antlitz, vom Schicksal und seiner Trauer entstellt schleppt er sich nachts durch die Moorlandschaft und sucht immer noch nach einem Sinn. 
Und nun wisst ihr auch, warum er der „sinnlose Moortroll“ genannt wird. Wenn ihm nur einer sagen würde, dass der Trollwald und der Baum der Phantasie nur deshalb überlebt haben, weil er das giftige Wasser getrunken hatte, dann wäre vielleicht seine verzweifelte Sinnsuche endlich zu Ende.
Als Scabea ihn vor einigen Jahren das erste Mal zu Gesicht bekam, erschrak sie beinahe zu Tode. Doch als sie ihn so kläglich weinen hörte, brach ihr fast das Herz. Die ganzen Jahre denkt sie nun darüber nach, wie sie dem armen Soolem helfen könnte. Letzte Nacht kam ihr dann die rettende Idee. Kuno, der alte Troll, er kümmert sich doch so voller Hingabe um den Baum der Phantasie, kennt alle seine Wurzeln und Geheimnisse. Vielleicht weiß er einen Weg, wie man Soolem seinen Sinn wieder geben kann. Scabeas Kristallpulver hat bei Soolem versagt, er bekam Angst und dachte, Scabea wolle ihn vergiften und sprang sofort wieder ins Moor um sich zu ertränken. Seither wagt sie sich erst mal nicht mehr in seine Nähe. Doch Kuno würde sicher etwas einfallen und so schrieb Scabea einen langen Brief an ihren alten Freund. 
Viele Tage hatte sie in ihrer Höhle gewartet, als endlich die kleine Taube angeflogen kam mit diesem seltsam roten Brief. Als sie ihn öffnete, fand sie ein Bild darin. Kuno hatte eine Straße gemalt, die sich mitten in einer scheinbar leeren Landschaft einfach nach oben kringelte und aufhörte. Lange Stunden haderte und grübelte Scabea über dieser Nachricht, bis sie sie nachts in einem wilden Traum entschlüsselt hatte und es kam der große Geistesblitz! 

Am nächsten Morgen machte sich Scabea sofort auf um den Moortroll aufzusuchen, doch dies erzähle ich in einer anderen Geschichte...

Fliehen

  Es reißt das Leben Lücken In dein Auffangnetz Unbarmherzig Unvermutet Ohne Vorbereitung Es will halten, es will schützen ...